LOST, ein treuer Freund und Wegbegleiter, nahm seinen Abschied von den internationalen Bühnen, und auch wenn das finale der Deutschen Ausstrahlung erst am 10. Juli in die Heimkinos kommt, so war uns in diesem Moment doch allen klar: Es ist vorbei.
Dieser Moment, von dem wir alle wussten, dass er irgendwann unweigerlich kommen würde, und der uns angesichts eines von den Autoren bewusst vorgegebenen Lebensabends der Serie am Ende einer sechsten Staffel zeitsehens mit einer viel größeren Gewissheit belastete als andere Serien; dieser Moment kam dann auch für mich, drei Tage nach der eigentlichen Ausstrahlung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Oder sollte ich besser sagen "für uns"? Denn anders als bei eigentlich allen anderen Folgen von dieser wunderbaren, herzerwärmenden, packenden, emotional durchrüttelnden Serie saß ich nicht allein vor meinem kleinen, tapferen Laptop, welcher sich selber garkeinen Begriff davon machen kann, wie sehr Freud und Leid bei dem beineinander liegen, was er uns an diesem Abend dargeboten hat. Nein, abgesehen von einigen wenigen Minuten, in denen mein Vater neugierig neben mir saß und sich die Geschehnisse einer zweiten oder dritten Staffel ansah, die ich mir in jenem Sommer 2006 oder 2007 regelmäßig am Stück bis früh um 5:00 reinfensterte, um dem Cliffhanger ein Schnippchen zu schlagen, um zu sehen, wie sich dieses menschliche und übermenschliche Drama entfalten würde, saß ich immer allein vor meiner glänzenden Mattscheibe.
The End
These are the lessons we know,
learned from a TV-show.
LOST will stay with us, wherever we go.
These are the lessons wie know.
And knowing what I know, Im glad I'm stranded with strangers,
Living through dangers, together or alone,
We're accident-prone.
Bombs are exploding, Smoke is still flowing,
Walt is still growing,
No matter where I go, the island's my home.
The island is my home.
Wobei, auch das stimmt nicht ganz. Denn nicht nur ich, sondern auch mein Bester, der Stefan, war im Laufe der Zeit dem LOST-Fieber verfallen. Da er aber in seinem Wohnheim hinter hohen virtuellen Mauern saß war er, als gerade die fünfte Staffel ausgestrahlt wurde, auf meine Hilfe angewiesen. So entwickelte sich auch auf dieser Ebene unserer Freundschaft etwas so besonderes, dass ich ihn beinahe aller zwei Wochen mit einem frisch gebrannten DVD-Rohling im Briefkasten überraschen konnte, der neben den aktuellsten Folgen auch andere interessante Dinge beinhaltete und mehr als einmal auch sehr schön verziert war. Als er dann die Vorzüge des Online-Stramings für sich entdeckt hatte, nahm diese Bruderschaft vor den höheren Gesetzen der Verlorenen ganz neue Züge an: Allwöchentlich verabredeten wir uns ab der zweiten Hälfte der fünften Staffel bis hin zum großen Finale in der sechsten Staffel zu unseren LOST-Telefon-Dates, von denen noch unsere Ahnen singen werden. Sie waren legendär, sie waren einzigartig, sie waren Comedy und Drama auf ganz hohem Niveau, und vor allem waren sie unendlich wertvoll. Wenn ich später einmal auf mein Leben zurückblicke werden diese frohen Stunden, an denen ich allein und doch nicht allein vor meinem Computer saß, nicht die letzten sein, die an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Gemeinsam haben wir sie uns angesehen, gelacht, geweint, diskutiert und viiiieeeel gewartet bis Stefans Stream endlich fertig geladen hatte. Von da an musste niemand mehr allein durch diese Achterbahn der Gefühle fahren. Auch hierfür möchte ich LOST danken.
An jenem denkwürdigen 26. Mai 2010 war es dann aber so weit, und ein glücklicher Wink des Schicksals wollte es, dass zwei der mir liebsten Menschen mich auf dieser großen Reise in ein ungewisses Ende begleiten konnten und wollten: Anna und Stefan! Sie, 1,72m groß, lange, schwarzrote Haare, undefinierbar braune, wunderschöne Augen. Er, 1,71m groß, braune, vor Energie strotzende Haare, Rundungen wie Helene und Charme wie Schirm und Melone. Sie war schon da, und Stewie gesellte sich zu später Abendstunde noch hinzu, und so begab es sich, dass wir das große Finale eng zusammengekuschelt auf meinem Sofa und in HD genießen konnte. Stewie brachte auch unsere ultracoolen LOST-Fanshirts mit, und so forderte uns das Schicksal dann auch zu einem weiteren Fotoshooting unter dem Motto "Black and White" heraus. Auch wenn die künstlerischen Mittel (und vor allem das Equipment) eher beschränkt waren, haben wir versucht das beste herauszuholen. Ein Klick auf das Bild enthüllt die ganze Wahrheit!
Der ewige Kampf Gut gegen Böse, schwarz gegen weiß, Türkarten gegen Schatzkarten!
So fing es also an, und so ging es auch zu Ende. Ich an dieser Stelle nichts inhaltlich auswerten. Darüber werden in Zukunft noch Bücher geschrieben, und ich habe das mit Stewie auch schon lange diskutiert. Aber nichts kann die Stimmung beschreiben, als sich das Auge wieder schloss, und wir alle mit unseren Gedanken, Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten allein zurückgelassen wurden. Ihr kennt das ja: am Ende so einer Tour holt einen die Realität immer sehr grausam wieder ins Leben zurück. Lange saßen wir da und schwiegen, auch Anna, die vorher noch nie eine Folge gesehen hatte (was wir aber gerade sukzessive nachholen). Wir schwiegen, und das war einfach wunderbar.
Danach hatten wir noch die wunderbare Gelegenheit, das LOST-aftershow-special von Jimmy Kimmel zu sehen, welcher diese Serie in seiner Latenight-Show schon zu einem regelmäßigen Bestandteil erhoben hatte.
Viele der Stars aus LOST waren dabei, sogar Harold Perrineau, und auch die, die nicht dabei sein konnten, gaben sich per Video-Botschaft die Ehre (Josh Holloway). Es war ein gelungener Abschluss, zumal die ersten Sekunden die Leute im Studio zeigte, die sich gerade das Finale angesehen hatten und noch schweigend und mit Tränen in den Augen auf ihren Plätzen saßen.
Alles in allem war das einfach ein großartiger Abend. Ein Meilenstein in der Bromance zwischen Stefan und mir, ein Grundstein in der Romance zwischen Anna und LOST, und definitiv ein Abend, der in einem Dokumentarfilm über mein Leben nicht fehlen dürfte. Gott, ich liebe Amerika!
Die Berichterstattung über alles, was danach kam und kommen wird, überlasse ich Stefan. Ich wollt mich nur nochmal bei allen anwesenden bedanken, und sagen, wie viel mir dieser Abend bedeutet hat. Auf dass es noch viele weiterer solcher denkwürdiger Ereignisse geben werde, zusammen mit Stewie, Exl, Anna, unseren Kindern und Kindeskindern, und den Helden der Shows, die uns helfen, das Grau des Alltags zu vergessen und uns einmal selber so zu fühlen als wären wir auf einer einsamen Insel gestrandet.
Oh, moment, ich habe Sand in den Schuhen...