Der Weltraum - Unendliche Welten

Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Das versprach mir zumindest als Teenager jeden Sonntagabend die Vorschau der alten Enterprisefolgen, die von Kabel 1 wiederholt wurden. Sieht man sich dagegen jüngst erschienene Sciene-Fiction-Serien an, dann keimen angesichts dieser These Zweifel auf. Denn so groß der Weltraum auch sein mag, offenbar bietet er nur Platz für eine begrenzte Anzahl an Charakteren in vorgegebenen Szenarien. Diese Behauptung werde ich im Folgenden durch einen Vergleich des Remakes von Battlestar Galactica (BG, 2003-2008) mit der Serie Stargate Universe (SGU, 2009-2010) zu untermauern versuchen. Es geht mir dabei nicht primär um eine Kritik an einem dieser beiden Weltraumdramas, die ich beide sehr gerne sehe/gesehen habe. Einige Parallelen sind indes schon ziemlich gravierend. Aber seht selbst:

Thema 1: Die Story

Eine zusammengewürfelte Gruppe von Menschen sieht sich durch unglückliche Umstände gezwungen, fernab der Heimat und ohne die Unterstützung einer planetaren Basis im Rücken eine Reise ins Ungewisse anzutreten. Dabei ist es allerdings das Ziel der Galactica, eine neue Heimat zu finden, während die Besatzung der Destiny versucht, nach Hause zurückzukehren. Die Atmosphäre ist allerdings ähnlich: Improvisationstalent und Durchhaltevermögen sind gefragt, um angesichts der Bedrohung durch mächtigere Außerirdische und Ressourcenknappheit Moral und Quoten hochzuhalten. Erschwerend kommt der zumindest bei Beginn der Serie mal schwelende, mal offene Konflikt zwischen den militäischen Kommandostrukturen und der zivilen Regierung bzw. den Wissenschaftlern hinzu.
Crew und Budget sind bei Stargate Universe natürlich viel kleiner, die bei BG auftretenden Konflikte werden auf mehreren Schiffen ausgetragen und die Serie verfügt über einen wesentlich größeren Personenpool, da es knapp 50.000 Überlebende gibt, die Destiny jedoch nur einige Dutzend Seelen zählt.

Thema 2: Die Schiffe

Vor 50 Jahren der Stolz der Flotte: Die Galactica & Die Destiny

Stoff für Probleme und kreative Lösungen bietet dabei die Tatsache, dass beide Crews auf veralteten bzw. lang nicht gewarteten Schiffen unterwegs sind. Die Galactica ist eines der ältesten Schiffe der Flotte (Dienstzeit über 40 Jahre) und da sie eigentlich als Museum verschrottet werden sollte alles andere als kampfbereit. Die Destiny wiederum ist seit Generationen nicht mehr repariert worden und ist zu Beginn der Serie löchrig wie ein Schweizer Käse. Außerdem hat die menschliche Besatzung nicht von Anfang an Zugriff auf alle Funktionen des Schiffes.

Thema 3: Die Kommandanten

Die Sonne blinzelt zuerst: Col. Everett Young & Com. William Adama

Weit würde das Häuflein nicht kommen, stünden nicht wie der Fels in der Brandung die militärischen Anführer ihren Männer (und Frauen) vor. Beide bereits ältere Semester und unverhofft in die ihnen zugewiesene Rolle gedrängt, leisten sie dennoch Erstaunliches: Sie treffen moralisch schwierige Entscheidungen zum Wohle der Flotte, und versuchen, die Balance zwischen Realismus und Menschlichkeit zu halten. Sie tragen schwer an der ihnen auferlegten Verantwortung, haben aber notfalls kein Problem, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um das Überleben der Flotte zu sichern, und schonen sich selbst niemals. Dafür werden sie von ihren Leuten größtenteils verehrt, es gibt allerdings auch Widerstand, vor allem aus den zivilen Reihen (dazu später mehr). Unterstützung erfährt Admiral William Adama allerdings durch seinen XO Colonel Tigh, die Rechte Hand für's Grobe. Der hat ein Alkoholproblem, und weil Colonel Everett Young sich bei seiner wesentlich kleineren Mannschaft keinen derartigen Mann leisten kann, fängt er selbst an zu trinken.

Thema 4: Die mittlere Kommandoebene

Everyday Heros: Lt. Matthew Scott & Cpt. Lee Adama

Unterhalb des Kommandanten steht in beiden Serienuniversen ein schneidiger Offizier, der so etwas wie den "typischen" Helden des amerikanischem Fernsehens verkörpert. Er ist jung, gutaussehend, (fast immer) loyal und für spektakuläre persönliche Action-Einsätze (mit gelegentlich freiem Oberkörper) stets zur Stelle. Captain Lee "Apollo" Adama ist der Sohn von William, Lieutenant Matthew Scott ist zwar mit dem Colonel nicht verwandt, allerdings gibt es in der 2. Staffel eine sehr schöne Traumfolge, in der Scott träumt, er käme nach Hause zurück. Dabei übernimmt jeder aus der Crew eine Rolle aus dem Familien- oder Bekanntenkreis, welche die Beziehung an Bord des Schiffes ziemlich treffend widerspiegelt. Und natürlich übernimmt den Part des Vaters Everett Young. Unverkennbares Unterscheidungsmerkmal sind allerdings die Segelohren von Brian Smith, die durch den Bürstenhaarschnitt noch betont werden, außerdem bekleidet Lee Adama einen höheren Rang, ist älter und wirkt etwas reifer.

Thema 5: Die irren DraufgängerInnen

"You talkin' to me?" - MSG Ronald Greer & Lt. Kara Thrace

Schließlich gibt es auf der unteren Kommandostufe noch den extrem fähigen, allerdings etwas psychopathischen und unberechenbaren Draufgänger. Motto: Erst schießen, später fragen. Mit ihm wird jede noch so harmlose Routinepatroullie in Null komma Nichts zum Himmelfahrtskommando, natürlich nicht ohne einen kräftigen Fluch und einen toughen Oneliner. Sieht man die beiden in Aktion, ist man einfach nur froh, nicht auf der gegnerischen Seite zu stehen. Ihre aufbrausende Art provoziert in Friedenszeiten oft unnötige Konflikte.

In dieser Kategoerie finden sich jedoch auch zwei Unterschiede: Erstens ist die Rolle der Ausnahmepilotin Kara "Starbuck" Thrace an Bord der Galactica (im Gegensatz zum Original) weiblich besetzt und zweitens hat sie im Gegensatz zu Master Sergeant Ronald "he is crazy" Greer ein echtes Autoritätsproblem. Beide würden aber für ihren Kommandanten letzlich alles tun und gehören fast schon mit zur Familie. Auch ihr Verhältnis zum jungen Offizier ist (zumindest zu Beginn) eher locker und geschwisterlich geprägt.

Thema 6: Der geniale, aber zwielichtige Wissenschaftler

Schlau, aber eigenwillig: Dr. Gaius Baltar & Dr. Nicolas Rush

Ohne ihn ginge morgens nicht mal der Toaster an: Der geniale Wissenschaftler, ein Genie und seiner Umwelt haushoch überlegen, ist das Gehirn der Truppe. Dr. Nicholas Rush aus Schottland ist der einzige, der die Destiny wieder flott machen und die Kontrolle über das Schiff auf die Menschen transferieren kann; Dr. Gaius Baltar von Aerilon ist bei weitem der intelligenteste Überlebende der Menschheit und wird unter Anderem benötigt, um eine Technologie zum Aufspüren der Zylonen zu entwickeln.

Ihre für die anderen allerdings unüberprüfbaren Forschungen geben ihnen viel Spielraum, um eigene Interessen zu verfolgen. Und diese decken sich nicht immer notwendigerweise mit denen der anderen Menschen...

Nicht immer teilt der Forscher seine Ergebnisse auch mit dem Rest der Crew, und er schreckt auch nicht davor zurück, zur Durchsetzung seiner persönlichen Ziele das Leben Anderer zu gefährden. Meist manipulieren die beiden dafür ihre Umgebung (sie besitzen große rhetorische Fähigkeiten, bei Baltar kommen noch beachtliche Playboy-Qualitäten hinzu). Hat man sie allerdings bereits als gewissenlose, arrogante Egoisten abgestempelt, melden sie sich plötzlich mit einer selbstlosen, heldenhaften Tat wieder zurück oder scheinen echte Reue zu zeigen. Das sind aber nur kurze Ausrutscher.

Trotz seiner Tricks durchschaut natürlich der Kommandant diesen zweifelhaften Charakter und verachtet ihn dafür, er ist allerdings auf den Wisenschaftler angewiesen. Bühne frei also für einen stetigen Kampf zwischen den beiden, in dem mal die eine, mal die andere Seite die Nase vorn hat. Gelegentlich verbünden sich Genie und Integrität aber und erzielen erstaunliche Ergebnisse.
Motiviert, aber auch kritisiert, werden die beiden Forscher übrigens von wichtigen Personen aus ihrer Vergangenheit, die nur sie allein sehen können und deren reale Existenz fraglich, aber nicht völlig unwahrscheinlich ist.

Ganz ehrlich, ich habe ja zuerst SGU und erst danach BG gesehen, und deshalb konnte ich unbeeinflusst feststellen: Die Figur des Dr. Nicolas Rush, ihre Rolle und Entwicklung im Laufe der Serie, erinnert derart frappierend an Dr. Gaius Baltar, dass selbst Herr zu Guttenberg sich scheuen würde, eine mögliche Vorbildfunktion des letzteren als "abstrus" zu bezeichnen.

Thema 7: Die zivile Anführerin

Bitte recht freundlich: President Laura Roslin & Camile Wray (IOA)

Was wäre ein Mikrokosmos an Bord eines Schiffes ohne den Kampf um Macht und Einfluss zwischen dem Militär mit seiner klaren Hierarchie auf der einen und den zivilen Autoritäten auf der anderen Seite, die vor Beginn der Krise eigentlich die Vorgesetzten waren. Plötzlich finden sich Camile Wray, Mitglied des International Oversight Advisory (IOA), und Laura Roslin, Bildungsministerin und Platz 43 auf der Liste der Präsidentennachfolger, als nominelle Anführerinnen der Zivilisten wieder. Camile kann dabei vor allem auf die Unterstützung der Wissenschaftler zählen, die mit der vom Militär beanspruchten Führungsrolle unzufrieden sind, Laura Roslin dagegen hat die volle Legitimität einer demokratisch gewählten Regierung hinter sich. Beides hilft ihnen zunächst nicht viel weiter, denn die tatsächliche Macht liegt bei den bewaffneten Streitkräften, und die sind nicht bereit, sie ohne Weiteres mit den als inkompetent erachteten Zivilistinnen zu teilen. Diese wiederum pochen - Krise hin oder her - auf der Beachtung der Normalverhältnisse, also des Vorrangs der Regierung bzw. des Überwachungskommittees. Streit ist vorprogrammiert, zumal beide Damen bereit sind, für ihre Überzeugungen zu meutern und eingesperrt zu werden. Zeit also für Kompromisse, beide Seiten lernen im Verlauf der 1. Staffel, dass man sich arangieren kann und muss und alle doch nur das Beste für alle wollen. Es entsteht sogar Sympathie für den Kommandanten und umgekehrt. Dennoch bleibt eine gewisse Grundspannung vorhanden.

Aus meiner Sicht ähneln sich die beiden Frauen nicht nur durch ihre Ziele und Erlebnisse, sondern auch charakterlich. Beide sorgen sich ehrlich um die Besatzung und das Wohl der Gesamtheit hat oberste Priorität. Im Alltag geben sich (oder sind, da bin ich mir etwas unsicher) beide stets mitfühlend und verständnisvoll, Camile betreut die Crew als "Psychologin" und führt verständnisvolle Einzelgespräche, Laura Roslin spricht stets mit leiser Stimme, reibt sich oft die müden Augen und hat ein unnachahmlich verständnisvolles und nachsichtiges Lächeln. Aber, Wunder über Wunder, wenn es um wirklich harte Entscheidungen, wie die Exekution von Gefangenen, ihren eigenen Machterhalt oder ein potentiell gefährliches Baby geht, dann fällt die Maske, und darunter werden Entscheidungen getroffen, die selbst dem taffen Kommandanten schlaflose Nächte bereiten würden. Wir sehen: Die politischen Anführerinnen sind also im Alltag scheinbar umgänglicher, im Zweifel allerdings härter besaitet als die Uniformierten. Liegt vermutlich an ihrem Tagesgeschäft vor der Krise...

Thema 8: Der Feind in meinem Bett - Die Aliens sind unter uns

Was bin ich? - Chloe Armstrong & Sharon Valerii

Als hätten die Menschen angesichts der vorgestellten Protagonisten nicht schon genug selbstgeschaffene Probleme zu bewältigen, werden sie natürlich noch durch einen extraterrestrischen Feind bedroht (wie sonst auch sollten sie sich zusammenraufen). Ob nun ursprünglich von ihnen geschaffene Roboterwesen, die Zylonen, oder eine unbekannte Spezies, sie sind den armen Astronauten jedenfalls nicht wohlgesonnen und die schlimmste Gefahr stellen nicht ihre Angriffe von außen dar - sondern von innen. Denn Mensch ist nicht länger gleich Mensch und so müssen sich die Charaktere dem konfliktträchtigen und schmerzhaften Umgang mit früheren Freunden stellen, die nicht mehr ganz das sind, was sie einst zu sein schienen. "Kann man ihnen trauen", "wird die Liebe halten", das sind nur einige der Fragen, die einer Antwort harren.

Aus der Übernahme dieses Handlungsstranges von BG erklärt sich meiner Meinung nach die Rolle der Chloe Armstrong, die ansonsten recht blass bleibt.

Thema 9: Live together, die alone - Unfreiwillige Allianzen

Zum Glück für unsere schwer bedrängten Helden sind jedoch nicht alle Feinde dauerhaft feindlich gesinnt. Mit manchen kann man sogar reden und am Ende vielleicht sogar eine Allianz formen, wenn man sie nur integriert. Diese Aussicht löst jedoch nicht bei allen Menschen Freudentränen aus und ist Anlass für viele weitere spannende Verwicklungen. Zumal längst nicht alle der vermeintlichen Verbündeten trotz der angebotenen Kurse integrationsbereit sind...

Das Fazit

Wer nun bis hierher durchgehalten oder zumindest das Mausrad bewegt hat, der soll auch mit einem zusammenfassenden Eindruck belohnt werden: Die Dreharbeiten für die 1. Staffel von SGU begannen im Februar 2009. Zu diesem Zeitpunkt ging gerade die 4. und letzte Staffel von BG zu Ende. Deren Ausstrahlungstermin hatte sich aufgrund eines Autorenstreiks um mehrere Monate verzögert, schon bevor sie begann, war klar, dass es die letzte Staffel dieser Serie sein würde. Die Autoren von SGU konnten sich also gefahrlos aus dem reichhaltigen und interessanten Angebot an Handlungssträngen und Charakteren, das BG bereithielt, bedienen. Und das haben sie dann auch getan. Charaktere, die manchmal wie Zwillinge scheinen, bewältigen ähnliche Herausforderungen auf ähnliche Weise. Auch die Grundstimmung der beiden Serien ist vergleichbar. SGU verfügte von Beginn an über ein deutlich kleineres Budget, weshalb manche Charaktere Rollen aus BG in Personalunion übernehmen mussten (so Col. Young als Verschmelzung von William Adama und Saul Tigh oder Scott als Mischung aus Lee Adama und Helo). Und natürlich gibt es einige Unterschiede, die ich teilweise auch erwähnt habe.

Insgesamt wird man aber mit einiger Sicherheit behaupten können: Die Autoren von Stargate Universe waren Kenner und Fans des Remakes von Battlestar Galactica und haben wohl auch gehofft, neben eingefleischten "Gatlern" auch einige Zuschauer von dieser Serie gewinnen zu können.